Die Besten sterben jung
Ich hatte einen Freund, der war Epi wie ich. Er hieß Thomas, kam aus Nürnberg und wir hatten ein Freundschaft, die ging über
20 Jahre. Wir hatten uns im Klinikum Nürnberg Station A2 Kinderklinik kennen gelernt.
Es war wie unser Treffpunkt. Mindestens 5 – 10 mal im Jahr auf derselben Station.
Das erste bei Thomas: „A wieder da.. schon wieder gezappelt. Kannst es nicht lassen.“ Er meinte:“ Du musst was sagen. Bist ja
nett besser.“
Mist, er hatte ja recht und das ging fast 20 Jahre so.
Er kam in ein Behindertenheim und ich in ein normales Heim. Hatte nichts mit den Anfällen zutun. Ich wusste, irgendwann
sterbe ich an meinen Anfällen. Hatten damals die Ärzte zu meiner Mutter gesagt und das mit 14 Jahren, dass ich nicht älter als
24 werden würde. Deshalb sagte ich immer, dass meine Freiheit und Selbständigkeit das Wichtigste war.
Später bin ich aus dem Heim nicht in ein Behindertenheim und auch nicht in eine Wohngemeinschaft für Behinderte.
Aber Thomas hat sich dafür entschieden in eine Wohngruppe für Epis zu gehen. Das war sicher okay. Er hatte, ich schätze ca.
50 Anfälle.
Doch ich entschied mich für eine eigene Wohnung. Ich hatte damals ca. 100 Anfälle im Jahr, aber ich sagte, es ist mein Leben
und ich sollte sowieso mit 24 spätestens tot sein. Also was soll’s. Ich will leben und das dann richtig.
Thomas war dann oft bei mir. Wir waren damals beide CB – Funker und hatten uns immer über Funk gehört. Das waren schöne
Zeiten.
Irgendwann ging ich nach München und wir verabschiedeten uns. Ich dachte, also im Krankenhaus sehen wir uns nicht mehr,
auch wenn wir durch das Alter die Station gewechselt haben. Aber nach München wäre es weit, oder?!
Als ich weg war, hörten wir uns ein paar Mal und irgendwie sahen wir uns einige Zeit nicht mehr. Irgendwann rufe ich mal an
und wollte mich melden nach ein paar Monaten. Da hieß es, er wohnt nicht mehr hier. Ich rief seine Mutter an. Sie geht ran und
ich sagte noch:“ hallo, ich bin’s der Markus. Eine Frage, wo ist der Thomas? Ist er in einem anderen Wohnheim?“ Sie wurde
still und sagte nur:“ Weißt du es noch nicht?“ Ich fragte „Was?“ Und sie sagte:“ Er ist tot!“
Ich wusste erstmal gar nichts und fragte dann wieso. Sie meinte, er ist in der Badewanne ertrunken in seinem Wohnheim extra
für Epis. Und dort gibt es eine Badewanne… bescheuert.
Mir kamen die Tränen und ich fragte mich, ist das Leben nicht beschissen und ungerecht? – Ich, wo Jahre auf meinen Tod
warte, lebe, obwohl ich oft Grund hatte, mich umzubringen, habe es aber nie getan. Und er geht extra in so ein betreutes Heim
und dann das. Ich frag mich, warum er und nicht ich. Ich, der eigentlich darauf wartet und auch so lebt. Immer am Limit. Scheiße,
und jetzt wo er nicht mehr ist, merke ich, wie er mir fehlt und was ich gerne noch gesagt hätte und nie mehr die Möglichkeit dazu
haben werde.
Und auch den anderen von der WFB Nürnberg…. Der eine geht aufs Klo, bekommt einen Anfall, kippt vor und haut sich den
Heizungsregler in die Schläfe… tot…der andere Schädel in der Heizung eingeschlagen…tot…der andere Zunge hinter…tot…der
nächste Herzinfarkt beim Anfall…tot… Und ich warte immer noch.
Warum will er mich nicht, sondern nur meine Leute? Will er da oben, dass es mir beschissen geht, dann hat er’s geschafft oder
er will mich quälen, in dem er jeden Unfall mich überleben lässt.
Irgendwann sehen wir uns alle wieder. Bis dahin hab ich hier noch was zu erledigen… meinen Sohn stark für das Leben zu
machen und ihm das geben, was ich nie hatte.
Thomas, Du hättest ihn gemocht… Bis bald!
Meinem Sohn sein erstes Bild auf Meiner Homepage
12.03.2012